„die skeptische Resignation,
die Einsicht in die Unerkennbarkeit
[der Welt]
ist keine bloße Negation,
ist unser bestes Wissen“
– Fritz Mauthner: Wörterbuch der Philosophie
„das Tao,
das sich mit Worten beschreiben lässt,
ist nicht das wahre Tao.“
– Laozi: Daodejing
„Zum Beifügen geeignet“, so nennt es der Lexikon artikelnde Polemiker. Das Adjektiv ist ein Modifikator, sagt der Linguist. Etwas Akzidentielles, raunt die Philosophie, und will sagen: Hinzugefügtes, Zufälliges, Beliebiges, Unwesentliches. Ein Umstandswort, dem der Ruf des Umständlichen, der bloßen Umkleidung vorauseilt. – Eine Eignungsprüfung scheint demzufolge angemessen.
Eine Zeit lang tolerierte man die Adjektive noch: die schönen Blumen, die schleimigen Schnecken, die lustigen Clowns. Bald empfand man sie als bösen Ballast. Man tat, als vergifte das Adjektiv den ganzen Park der Wörter. Komm in den zugewachsnen Park und schau, sagte man uns. Dann empfahl man die Entlaubungsmittel. Agent Orange.
Und so zogen die Schreiber in Heerscharen aus, die Adjektive vom Antlitz der Erde tilgen. Erst zaghaft, dann immer entschiedener, bis kein Kraut mehr bei dem andern blieb. Wer etwas auf sich hält, lässt es weg, wann immer es geht. Da, wo es noch zum Einsatz kommt, bedarf es der rechtfertigenden Fußnote.
Niemandem scheint die böse Ironie aufgefallen, mit der man das Adjektiv vernichtete, nachdem man es selbst zum Gift der Sprache erklärt hatte. Es ist Kampf der Kultur gegen die Natur der Sprache.
Dagegen: In der freudigen Beifügung äußert sich schon das Kind, durch das Gras robbt es, krabbelt, steht, bald geht es. Entdeckt mit Wörtern die Welt: Eine ßöne (1) Blume, eine glitßige (2) ßnecke, ein lutßtiger (3) Klaun. Kaum gesagt, geschrieben, wird ihm mit engelsgleicher Stimme geheißen: Warum so viele Umstände machen? Sagen wir einfach: Blume! Sagen wir: Schnecke! Sagen wir bloß: Clown! Nein? Warum nicht? Das Adjektiv sagt nichts aus, brüllen sie. Scheiße!
Gut, denkt das Kind, blume ßnecke klaun, und lacht. Doch es meint, einen Witz verstanden zu haben, wo es um den Ernst der Sache ging. Blume! Schnecke! Clown!
Ich kann es nicht ausstehen, sagen die Ästheten, diesen, diesen Wildwuchs, die Überwucherung der Sprache, ihre Vernichtung durch giersch giersch giersch. Und so ziehen sie wieder ihre grünen Handschuhe an und setzen ihre Masken auf und sagen C3H8NO5P, sagen ROUND UP, sagen Glyphosat und das bisschen „krebserregend“, mein Gott, es ist doch nur ein Adjektiv!
Während wir auf einer Seite des Gartens das Unkraut, wuchernd, uns über den Kopf wachsend, vernichten, kehrt es auf der anderen Seite, dem Dao gemäß, wieder: als Wucherung im Innern, die meist im Dunkeln bleibt, lauernd wartet, heranwächst, selten über die Haut tritt, bevor das letzte Wort gesprochen ist.
Hat man erst verlernt, etwas beizufügen, hat man erst gelernt, alles Beigefügte wegzulassen, um nur noch – was? – das Wesentliche in Händen zu halten, so neigt es der Verwesung zu.
Noch aber ist es nicht zu spät, sie stehen zu lassen: die schöne Blume. Ihren Spuren zu folgen: der schleimigen Schnecke. Sich mit dem lustigen Clown kringelig (4) zu lachen.
Rechtfertigende Fußnoten
(1) Eine schöne Blume. – Beigefügt, weil Schmetterlinge im Bauch.
(2) Eine glitschige Schnecke. – Beigefügt, weil anziehend und abstoßend zugleich.
(3) Ein lustiger Clown. – Beigefügt, weil weder traurig noch furchteinflößend.
(4) Sich kringelig lachen. – Wir sehen, schmecken, spüren nicht hin bei solchen Wendungen. Darum wollen wir sie ausmerzen. Sobald wir aber einmal anfangen, die Kringel zu sehen, die beim Lachen entstehen, erhält die Sprache etwas von der Lebendigkeit zurück, die wir ihr – erst – im Blick und dann mit der kalten Schere genommen haben.
Bildnachweis
„Snail’s Eye“ von kuhnmi ist lizensiert unter CC BY 2.0.